FÜR BAUHERREN
18. Dezember 2022
Autor: Lukas Mettler

ALTER BAUSTOFF - GROßE ZUKUNFT: BAUEN MIT LEHM

Bauen mit Naturbaustoffen liegt im Trend. An Holz kommt heute niemand mehr vorbei, ohne zumindest bewusst darüber nachgedacht zu haben. Lehm schwebt dagegen eher unter dem Radar der meisten Bauherrinnen und Bauherren. Absolut zu Unrecht, wie der heutige Blog-Artikel aufzeigen wird. Genau wie bei Holz handelt es sich bei Lehm um einen der ältesten Baustoffe der Welt. Was den Lehm auszeichnet und welche spannenden Anwendungsmöglichkeiten es gibt, erfahrt ihr im heutigen Blog-Artikel.

Bevor wir speziell auf die Möglichkeiten im Lehmbau zu sprechen kommen, was ist Lehm überhaupt?

Vereinfacht gesprochen ist Lehm die Erde, die uns umgibt. Lehm ist das, was wir haben, wenn wir ein Loch im Garten graben. Bei Lehm handelt es sich um ein Gemisch aus Ton, Schluff und Sand, der natürlich durch Verwitterung entsteht und nach Vermengung mit Wasser verarbeitet werden kann. Abhängig von der Zusammensetzung der Tonminerale werden Farbe und Klebekraft des Lehms natürlich beeinflusst.

Was kann nun alles aus Lehm gebaut werden - tatsächlich das gesamte Haus?

Zunächst muss mit einem Vorurteil aufgeräumt werden, denn viele Menschen denken, dass es sich nur dann um Lehmbau handelt, wenn wirklich das komplette Haus aus Lehm gebaut ist. Das stimmt nicht, denn seine volle Kraft entfaltet der Baustoff Lehm vor allem in der Synergie mit anderen, nachwachsenden Rohstoffen, zum Beispiel Holz.

Das heißt, der Holzbau dient für statische Zwecke als sehr schlankes, lasttragendes Material. Im Gegensatz zu Holz benötigt Lehm als lasttragendes Element große Querschnitte. Umgekehrt bringt der Lehm Masse ins Gebäude und damit hervorragende Eigenschaften in Bezug auf Schallschutz, Brandschutz, Wärmespeicherfähigkeit und Hitzeschutz. Man könnte ihn auch als natürliche Klimaanlage bezeichnen. Stroh oder Pflanzenfasern als weiterer, nachwachsender Baustoff bringen wiederum gute Dämmeigenschaften mit sich.

Wie man sieht, steckt vor allem in der Kombination dieser Baustoffe das größte Potenzial. Sie ermöglichen den Bau eines ökologischen, klimapositiven Hauses, das viel CO2 einspeichert und wenig Emissionen verursacht. Lehmbau funktioniert auf diese Art und Weise nicht nur beim Neubau, sondern auch in der Sanierung.

Welche konkreten Mehrwerte bringt das Bauen mit Lehm?

Der Bauherr, der am Ende in seinem Traumhaus lebt, darf sich auf ein tolles Raumklima freuen. Lehm ist in der Lage, die Feuchtigkeit in Räumen selbständig zu regulieren und wirkt damit gleichzeitig Schimmel und schlechten Gerüchen entgegen. Auch im Hinblick auf Schallisolierung und Wärmespeicherung im Innenraum eignet er sich hervorragend. Zusätzlich schützt er Holz, welches im Verbund verbaut sein kann, vor überschüssiger Feuchtigkeit und bringt gute Brandschutzeigenschaften mit.

FÜR DEN VERARBEITER:
Lehm bringt durch seine einfache Verarbeitung und vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eine Menge kreativer Entfaltungsmöglichkeiten. Neben den klassischen Farben wie braun oder rot existieren auch natürliche Lehme in schwarz, gelb oder grün. Durch Zusatz von Farbpigmenten gibt es nach Wunsch auch freie Farbwahl. Dazu ist die Verarbeitung gesundheitlich völlig unbedenklich.

FÜR UNS ALLE:
Der größte Mehrwert für uns alle liegt jedoch in der Nachhaltigkeit des Baustoffs Lehm. Er ist in großen Mengen verfügbar, beliebig ohne Qualitätsverlust wiederverwendbar und damit sehr ressourcenschonend. Hoher Energieaufwand in der Herstellung oder chemische Zusatzstoffe zur Verarbeitung entfallen.

Lehmbaustoff lässt sich sogar aus dem eigenen Aushub herstellen. In einer optimalen Welt benötigt es auch keine zusätzlichen Lehmgruben mehr, sondern es wird einfach der Aushub aus bestehenden Baustellen, z.B. im Straßenbau genutzt und weiterverarbeitet.

Der Einsatz von Lehm im Hausbau – wie sieht das aus? Die Möglichkeiten zum Einsatz von Lehm sind vielfältig. Mit Lehm kann beispielsweise wunderbar saniert werden. Im Holzrahmenbau können Lehmsteine zum Ausmauern von Wänden verwendet und so, z.B. von den guten Schallschutzeigenschaften profitiert werden. Für die Leichtbauweise gibt es statt Gipskarton auch Lehmplatten. Lehmputz kann auf die Betonwand, Ziegelwand oder auch auf die konventionelle Gipskartonplatte (wenn sie denn doch zum Einsatz kommen musste) aufgetragen werden. Lehm lässt sich eigentlich mit fast allem kombinieren, auf einigen Untergründen besser als auf anderen. Gegebenenfalls muss eine Grundierung oder ein zusätzlicher Putzträger verwendet werden, um den Verbund zwischen den beiden Baustoffen herzustellen.

Wenn ich mich entschließe, dass ich mein Haus mit Lehm bauen will - wer bietet das denn an? Gibt es Spezialisten?

 Ja, es gibt Spezialisten. Zu nennen ist an dieser Stelle die Weiterbildung zur Fachkraft Lehmbau. Danach darf man sich offiziell Fachkraft Lehmbau nennen. Die Ausbildung ist jedoch keineswegs die Voraussetzung, um den Baustoff zu verwenden. Egal ob man als Maurer, Zimmermann oder Stuckateur mit abgeschlossener Ausbildung unterwegs ist – Lehm ist ein Baustoff unter vielen und die Verarbeitung ist nicht außergewöhnlich komplex. Jeder der weiß, wie man mit Kalkputz umgeht, bekommt es auch mit Lehmputz hin. Leider existieren noch Vorurteile – häufig auch aus Unwissenheit. Hier können wir nur Mut zusprechen, den Baustoff einmal auszuprobieren.

Gibt es Nachteile?

Bei der Planung und Verarbeitung von Lehm ist es wichtig zu beachten, dass Lehm nicht wasserfest ist. Im Außenbereich ist er daher nur eingeschränkt zu empfehlen. In der Dusche gar nicht. Dieser Nachteil ist jedoch gleichzeitig auch ein großer Vorteil, denn durch den Kontakt mit Wasser kann man den Lehmbaustoff plastifizieren und anschließend ohne Qualitätsverlust wiederverwenden. Es gibt also quasi keinen Abfall, was einzigartig unter den Baustoffen sein dürfte.

Wie sieht es mit den Kosten aus - speziell im Vergleich zu konventionellen Baustoffen?

Ein pauschaler Kostenvergleich ist schwierig. Bauprojekte sind individuelle Projekte, die miteinander verglichen werden müssen. Im Vergleich zu einem Sack Kalkzementputz kostet ein Sack Lehmputz etwa 5-20 % mehr. Eine solche Betrachtung unterschlägt jedoch nachgelagerte Faktoren. Es muss also immer der gesamte Aufbau unter der Frage „Was brauche ich sonst noch?“ betrachtet werden, am Beispiel „Wand“ lässt sich das gut erklären:

Wird ein farbiger Lehmputz verwendet, ist kein zusätzlicher Farbauftrag nötig, keine Tapete und damit auch kein Malerarbeitsgang.

Würde der deutlich geringere CO₂-Fußabdruck im Vergleich zu konventionellen Baustoffen angemessen berücksichtigt werden, wäre Lehm wahrscheinlich heute schon deutlich günstiger. Wir müssen anders bauen, denn wir können nicht so weitermachen, wie bisher.

Wo kann man Lehmbaustoffe kaufen?

Als breiter Massenartikel sind die Lehmbaustoffe wie z.B. Lehmputz noch nicht zu finden. Nach und nach ändert sich hier jedoch etwas und es gibt ihn mittlerweile vereinzelt in Baumärkten zu kaufen. Die besten Ansprechpartner sind derzeit spezialisierte Naturbaustoffhändler, die man problemlos übers Internet in seiner Nähe finden kann.

Aufruf an alle: Mehr aktiv Nachfragen… in Baumärkten, bei den Fachplanern und Verarbeitern, damit sich etwas verändert und der Baustoff die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient.

Wir hoffen, dass wir euch hiermit einen ersten Einblick in den Baustoff Lehm geben konnten. Wenn ihr mehr erfahren wollt, schaut auf jeden Fall bei Sandra und dem LEHMBAU.BLOG vorbei. Neben Informationen kann sie euch auch als Architektin bei konkreten Projekten unterstützen.

ÜBER SANDRA SONDERN:

Sandra ist spezialisiert auf den Bereich nachhaltiges Bauen. Sie beigstert sich seit dem ersten Bauprojekt für den Lehmbau un mit jedem Tag, an dem sie sich damit beschäftigt, ein Stückchen mehr.

Ihr findet sie auf:

Artikel teilen