FÜR HANDWERKER
19. September 2022
Autor: Julian Stein

DIE ZUKUNFT GEHÖRT DER SCHWAMMSTADT

Wasser ist lebenswichtig. Manchmal aber auch bedrohlich. Wenn viel Regenwasser auf versiegelte Fläche einer Stadt trifft, gleicht das einem immer voller werdenden Waschbecken mit einem zu kleinen Abflussrohr. Den Wasserhahn können wir abstellen. Starkregen wird hingegen schnell zur Katastrophe. Erst recht, wenn wir davon ausgehen können, dass Starkregenereignisse auch in Zukunft weiter zunehmen werden. Die Stadt der Zukunft muss reagieren. Eine Antwort: die Schwammstadt.

Warum immer mehr Städte zur Schwammstadt werden wollen und warum die Schwammstadt nicht nur gegen Starkregen, sondern auch gegen Hitze schützt, ist Thema des heutigen Blogbeitrags.

Wenn Regenwasser in der Stadt zum Problem wird

Anders als in der Natur, muss sich das Regenwasser im urbanen Raum über Dächer und asphaltierte Straßen seinen Weg durch die Abwasserschächte in die Kanalisation suchen. Das Abwassersystem ist jedoch in seiner Kapazität begrenzt. Trotz durchdachter, technischer Lösungen wie Regenrückhaltebecken oder Regenüberlaufbecken für größere Niederschlagsmengen droht regelmäßig die Überlastung und damit die Überflutung. Während die Möglichkeiten zum alternativen Umgang mit Schmutzwasser aus Hygienegründen begrenzt sind, sollten wir den Umgang mit Regenwasser deutlich kritischer hinterfragen.

Die Natur zum Vorbild nehmen und Regenwasser als Chance verstehen. Was ist die Schwammstadt?

Wir denken gerne in technischen Lösungen. Doch statt die Kanalisation einfach leistungsfähiger zu machen, setzt die Schwammstadt bereits einen Schritt vorher an. Schwammstadt bedeutet, dass Regen dort versickert, gespeichert oder verdunstet wird, wo er fällt. Man kann auch von dezentralem Wassermanagement sprechen, aber Schwammstadt klingt doch deutlich interessanter.

Das Vorbild für das Schwammstadt-Konzept ist unseren Wald, in dem Regenwasser einfach versickert oder sich in kleinen, natürlichen Seen gesammelt wird. Angefangen bei der Baumkrone über den Waldboden mit Moos- und Humusschichten, Gängen und Hohlräumen entsteht ein natürlicher Wasserspeicher als Teil des Wasserkreislaufes – ein Schwamm. Was nicht mehr aufgesaugt werden kann, fließt durch verschiedene Gesteinsschichten ins Grundwasser. Übertragen auf die Stadt bedeutet das, durch die Installation solcher „Schwämme“ soll das Niederschlagswasser einfach „aufgesaugt“ und gespeichert statt in die Kanalisation abgeleitet werden.

Das hat gleich mehrere Vorteile, denn
● die Kanalisation wird bei Starkregen entlastet,
● durch Verdunstung entsteht eine natürliche Kühlung und verbessertes Stadtklima,
● es gibt mehr Grünflächen, mit allen, damit verbundenen Vorteilen.

DIE ELEMENTE DER SCHWAMMSTADT

Begrünung von Dächern und Fassaden

Die Begrünung von Dach- und Fassade macht nicht nur optisch was her, sondern hat auch zahlreiche Vorteile für das städtische Mikroklima oder die Energieeffizienz von Gebäuden. Als Teil des Schwammstadt-Konzeptes nehmen grüne Oberflächen zusätzlich Wasser auf.

Urbane Grünflächen

Grünflächen und Parks leisten nicht nur einen entscheidenden Beitrag für die Lebensqualität als sozialer Treffpunkt. Sie kommen auch der natürlichen Oberfläche des Waldes am nächsten. Leider besteht immer wieder der Zielkonflikt zwischen der Nutzung von Fläche als Grünfläche und als Bauland. Beides ist grundsätzlich knapp in der Stadt.

Bauliche Elemente: Mulden, Bauminseln, Rigolenelemente, Retentionsflächen

Weitere Elemente der Schwammstadt stellen Bauminseln oder Baumrigolen dar. In Baumalleen ist es im Sommer bis zu 10 Grad kühler als in Straßen ohne Bäume. Auch Auslaufflächen, ohne Asphalt oder Muldenelemente sind Elemente einer Schwammstadt, in denen das Regenwasser langsam versickern kann. Überflutungsflächen (Retentionsfläche) sind ebenfalls Teil einer durchdachten Stadtplanung und können multifunktional genutzt werden. 

Wasserdurchlässige Beläge und Verkehrsflächen

Wo auf eine Befestigung von Straßen und Flächen nicht verzichtet werden kann, kommen versickerungsfähige Pflaster oder andere Bodenbeläge eingesetzt. Rasengittersteine oder Drainbeton haben ebenfalls wasserdurchlässige Eigenschaften.

Entsieglung von Flächen

Die Flächenversieglung ist der Grund, warum das Konzept der Schwammstadt überhaupt so populär ist. In Deutschland täglich ca. 69 ha (ca. 96 Fußballfelder) natürlich geprägte Fläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Ca. 46 % (Quelle: Umweltbundesamt) davon werden versiegelt. Der Rückbau versiegelter Flächen stellt ein weiteres Element der Schwammstadt dar.  

Viele dieser Elemente werden insbesondere in Neubauprojekten mittlerweile umgesetzt. Hier existieren auch klare Regeln für den Umgang mit Regenwasser. Als Vorreiter gelten aber, wie so oft, die skandinavischen Städte. Kopenhagen wird besonders oft genannt. Doch auch viele deutsche Städte wollen hier eine führende Rolle übernehmen. In mir löst dieser Weg auf jeden Fall Begeisterung aus, denn im Stuttgarter Westen, wo ich lebe, vermisse ich die Schwammstadt bisher weitestgehend. Doch auch Stuttgart will zur Schwammstadt werden und Initiativen sind bereits gestartet (Quelle). Sind wir gespannt, wie es weiter geht.

Weitere Quellen:
https://www.sieker.de/fachinformationen/umgang-mit-regenwasser/article/das-konzept-der-schwammstadt-sponge-city-577.html

https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/klima/schwammstadt-klimawandel-regenwasser-104.html

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/bauen/wohnen/gruenbuch-stadtgruen.pdf?__blob=publicationFile&v=3

https://www.bund-berlin.de/themen/stadtnatur/stadtwasser/schwammstadt/

Ökopflaster

Youtube: Starkregen und Flutschäden: Berlin will „Schwammstadt“ werden

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